Schaumstoff-Verwertung mit dem Dönermesser

Werke der Bambergerin Ulla Reiter sind ab heute Abend im „Kesselhaus“ zu sehen. Ein Blick hinter die Kulissen einer Kunstschau, die um 19 Uhr eröffnet wird.

Ulla Reiter steht auf einer etwas wackeligen Leiter in dem alten Industriebau „Kesselhaus“ am Leinritt. Ein Helfer steht unten und hält die Leiter. Die 32-jährige Künstlerin hantiert mit einem labberigen großen Schaumstoffgebilde, das rosafarben besprüht ist: „Wir brauchen die größere Leiter aus dem Atelier“, sagt sie und steigt unverrichteter Dinge wieder herunter.

Es sei wichtig, den Raum nicht zuzuklatschen und auch mal einiges wegzulassen. Und – eins steht schnell für die Künstlerin fest: Das künstlerisch anmutende Bildnis eines Baumes, das sich über die ganze Wand erstreckt und durch jahrelange Kalkablagerungen entstanden ist, das will sie nicht mit ihren Arbeiten bedecken.

Gerade die Räumlichkeiten – das Kesselhaus war Teil der alten Krankenhaus-Wäscherei – hätten ihre eigene Ausstrahlung, bei der es heißt sorgsam auszuwählen, wo welches Kunstwerk hinkommt, verrät die junge Künstlerin, die an der Akademie der Bildenden Künste studiert hat und seit zwei Jahren wieder in ihrer Heimat Bamberg lebt und arbeitet.

Wie viel Arbeit in der Vorbereitung einer Kunstausstellung steckt, das wird dem Besucher nicht bewusst, wenn er im Vorbeigehen die Arbeiten betrachtet und vielleicht nur das Kunstwerk selbst sieht und das Drumherum ausblendet. Dass der Standort des jeweiligen Objektes vorher wohlüberlegt von Künstler oder Künstlerin festgelegt und auf Lichtverhältnisse und Raumeigenheiten geachtet wurde, dass erschließt sich nur auf den zweiten Blick und bei genauerer Auseinandersetzung mit der Ausstellung und ihren Exponaten.

„Phantom me“ heißt Ulla Reiters erste Bamberger Ausstellung, die vom Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken (BBK) initiiert wurde. Das „Kesselhaus“ sei eine besondere Situation, „eigentlich hätten wir noch eine Woche eher anfangen müssen“, resümiert Ulla Reiter nach fast einer Woche anstrengender Ausstellungsvorbereitung.

Dass die größte Arbeit vor das große Fenster muss, das stand für die Künstlerin von Anfang an fest. „Ich hatte schon am Anfang den Platz im Kopf“, sagt sie rückblickend auf die Vorbereitung. Allerdings wären auch nicht viele andere Plätze für die riesige Schaumstoff-Schöpfung mit dem Titel „Apokalyptische Reiter“ in Frage gekommen. Mit einer Länge von 4,5 Meter und einer Höhe von 2,90 Meter gibt es nicht viele Alternativen.

Zunächst stand gar nicht fest, ob die Arbeit überhaupt gezeigt werden kann, wie Christiane Toewe, Erste Vorsitzende des BBK Oberfanken, schmunzelnd sagt. Denn die Tür im „Kesselhaus“ war schlichtweg zu klein. Erst zehn Tage vor Vorbereitungsbeginn sei die Genehmigung zum Einbau einer größeren gekommen, was dann dank der Spende eines Bamberger Unternehmens schnell realisiert werden konnte. Das es manchmal Schwerstarbeit sein kann, so eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, zeigt sich am „Apokalyptischen Reiter“ sehr deutlich: Sechs Personen wurden benötigt, um die 200 bis 300 Kilogramm schwere Skulptur an Ort und Stelle zu platzieren.

Der Raum sei sehr wichtig, wie Ulla Reiter erklärt: „Damit kann alles stehen und fallen, ich hatte mal in einer Münchener Galerie ausgestellt, das ging dann auch schief – da war alles so klein und quadratisch.“ Im Kesselhaus hingegen passe alles, auch wenn es bei einigen anderen Arbeiten länger gedauert hat, den richtigen Standort zu finden.

„Die Kinetische Arbeit“, drei sich drehende Schaumstoff-Figuren, passt, wie Ulla Reiter findet, „sehr gut zur Elektronik“. Das ist ihr aber erst später aufgefallen. Erst sollte das Kunstwerk im unteren Raum als Draufsicht gezeigt werden „bis die am richtigen Platz war, haben wir sie bestimmt 50 Mal umgestellt“.

Die Kunstgebilde von Ulla Reiter sind mystisch anziehend und in ihrer Größe beeindruckend bis – positiv – erschlagend. Teilweise schaurig-schön und inspirierend wirken diese Schaumstoff-Riesen. Erschaffen wurden sie aus großen Blöcken und im Fall der „Apokalyptische Reiter“ aus einem alten Turn-Weichboden, den die Stadt München der Künstlerin geschenkt hat. Zum Bearbeiten nutzt Ulla Reiter ein elektrisches Döner-Messer: „Da es diese Kunstform so nicht gibt, musste ich auch eine eigene Technik entwickeln“, erzählt die Künstlerin über ihre Schaumstoff-Kunst, während sie die letzen Aufhängungsmaterialien zusammensucht. Ab heute ist „Phantom me“ zu sehen.